
Die Schönheit im Zerbrochenen entdecken – Kintsugi
Mehrere Rückmeldungen auf den Blogtext über Kintsugi, haben uns inspiriert, ein weiteres Mal auf den Kintsugi-Prozess einzugehen.
Die Frage nach dem „Wie mache ich das?“ tauchte bei einigen Lesern auf.
Hier nun unsere erlebten Erfahrungen.
In den Schmerz hineingehen
Ja, das tut weh. Für die Heilung ist es jedoch nötig, sich Zeit und Raum für den Schmerz zu nehmen. Warum nicht einmal ausgiebig den Tränen freien Lauf lassen? Die Wut, den Schmerz und die Trauer einfach rausschreien? Das befreit, löst den Druck und lässt uns tief durchatmen. Es geht darum, die Gefühle anzuerkennen, statt sie zu unterdrücken. Indem wir in den Schmerz gehen und ihn uns anschauen, erkennen wir, was wir nicht mehr wollen. Für diese Phase dürfen wir uns die Zeit nehmen, die es braucht.
Hier macht das Kintsugi-Handwerk Mut. Qualitäten, die für den KintsugiTransformationsprozess stehen, sind Sorgfalt, Achtsamkeit, Hingabe, Geduld und Liebe zum Detail. Kintsugi bleibt eine Kunst, jedes Werk ist einzigartig. Der Kintsug-Meister ist sich der Verantwortung gegenüber der Einzigartigkeit und der Zerbrechlichkeit des Wiederherstellungsprozesses bewusst.
Begeben wir uns in den Heilungsprozess, dann beobachten wir uns selbst und können sehen, das etwas mit uns geschieht.
Den Blickwinkel verändern
Wir werden nicht mit einmal Weinen und Schreien heile sein. Oft braucht es mehrere Stunden, Tage, Wochen oder sogar Monate mit Gefühlsausbrüchen. Doch mit jedem Herausspülen der schmerzhaften Gefühle wächst die Bereitschaft zum Perspektivwechsel. Manchmal sehr langsam und kaum wahrnehmbar.
Ein Kintsugi-Meister betrachtet auch alle Scherben des zerbrochenen Gefäßes, bevor er mit dem Zusammensetzen beginnt. Nach reiflicher Überlegung, das kann Tage dauern, entscheidet er, welche Teile er wieder integriert und welche gehen dürfen.
Bruchstellen heilen uns, indem sie uns lehren, was wir ansonsten nie gelernt hätten. Altes gehen lassen und Neues integrieren. Indem wir uns erlauben, neue Wege zu gehen oder verschiedene Ansätze auszuprobieren, haben wir die Möglichkeit, mehr über uns selbst herauszufinden und uns weiterzuentwickeln. Dadurch erweitern wir unser Bewusstsein und stärken unsere Kompetenzen.
Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem Schreiben von Morgenseiten gemacht. Nach dem Aufwachen werden drei Din A4 Seiten mit dem, was gerade in unserem Kopf herumschwirrt, beschrieben. Einfach alles herausschreiben, ohne Wertung. Drei Seiten. Das erleichtert enorm. Das Geschriebene wird nicht mehr gelesen – raus ist raus. Mit der Zeit wird sich die Art des Schreibens verändern, in eine Art inneren Dialog übergehen. Die Perspektiven verändern sich.
Den Blick für das Schöne öffnen
Mittlerweile wissen wir, dass trotz der Schmerzen auch schöne Momente möglich sind. Diese zu sammeln und sich bewusst für diese Momente zu öffnen, sind Balsam für die verwundete Seele. Ganz besonders wohltuend sind wertschätzende und verständnisvolle Freunde. Auch professionelle Hilfe anzunehmen ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke. Auf diesem Wege kommt mehr und mehr Licht in unser Leben zurück.
Die neue Kintsugi-Gestalt zieht uns in den Bann. Das Gold verfehlt seine Wirkung nicht. Zugleich dürfen wir die alte Gestalt noch erkennen. Sie ist erhalten geblieben und wird gewürdigt. Sie wird nicht vergessen oder zurückgelassen. Gleichzeitig steht vor uns ein neues Kunstwerk. Unzählige Stunden sind in die Restauration des Gefäßes hineingeflossen.
Wir beginnen, mit dem Wertschätzen unserer Narben zu leuchten.
Das Neue
Ein durchlebter Heilungsprozess bietet uns also eine völlig neue Perspektive auf unser Leben – eine Perspektive der Stärkung und des Wachstums, trotz Schwierigkeiten oder Rückschlägen. Wir lernen nicht nur unser Potenzial besser wertzuschätzen, sondern auch unsere Bruchstellen als Teil unserer Reise anzuerkennen und dadurch Kraft für neues Wachstum zu finden. Wir lernen, mit dem Unerwarteten umzugehen, und übernehmen Verantwortung für unsere Handlungen.
Durch die Auseinandersetzung mit unseren Bruchstellen werden wir nicht nur stärker, sondern auch empathischer und selbstsicherer. Wir werden immer deutlicher spüren, was wir wirklich wollen und gehen Schritt für Schritt aus der Komfortzone.
Mein Herz ist voller Goldadern statt Risse
Leah Rider

Möge ich lernen, mich selbst zu lieben und zu akzeptieren, so wie ich bin.
Möge ich die Kraft finden, meine Wunden anzunehmen und mich auf den Weg der Heilung zu begeben.
Möge ich Vergebung für diejenigen finden, die mir Schaden zugefügt haben,und Frieden in meinem Herzen finden.
Möge ich auch mir selbst vergeben und Vergebung bei anderen suchen.
Möge mir Kraft zuteilwerden, den Heilungsprozess zu durchlaufen, der viel Geduld und Aufmerksamkeit erfordert.
Möge ich das Gold in meinen Brüchen sehen und verstehen, dass ich gerade mit meinen Wunden geliebt, wertvoll und einzigartig bin.
Möge ich weiterwachsen und meine Potenziale entfalten - wissend, dass Stille und Zuwendung den fruchtbaren Grund dafür bilden.
(Netzfund: unbekannt)
Wir wünschen allen einen Weg der Heilung.
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